Der Mensch schaut im Durchschnitt fast 100x pro Tag auf sein Smartphone. Dieses Verhalten kann man nicht nur auf dem Weg nach Hause in der U-Bahn erkennen, sondern immer häufiger auch im Arbeitsleben. Ob Tablet, Smartphone oder Bildschirm an der Maschine:  Führen wir eine Aufgabe in der realen Welt durch, wechselt unsere Aufmerksamkeit ständig von der Betrachtung von Informationen, die für die Ausführung erforderlich sind, zum Fokussieren auf die eigentliche Aufgabe in der realen Welt vor uns. Warum ist das noch so? Wieso hat sich die Art und Weise, mit der wir Informationen konsumieren, seit mehr als 15 Jahren nicht verändert?

Reale Welt vs. Digitale Welt

Die Aufmerksam wechselt ständig zwischen realer und digitaler Welt. (Quelle gif )1

Augmented Reality schlägt die Brücke zwischen der digitalen und der realen Welt

Einige führende Wissenschaftler wie Michael E. Porter, Ökonom und Professor an der Harvard Business School, wissen bereits seit Längerem, dass es eine „grundlegende Diskrepanz [gibt], zwischen der Fülle der uns zur Verfügung stehenden digitalen Daten und der physischen Welt, in der wir sie anwenden.“²

Anders gesagt, während unsere Realität dreidimensional ist, bleiben die riesigen Mengen an Daten, die wir sammeln, um uns für Entscheidungen und Handlungen zu informieren, auf zweidimensionalen Seiten und Bildschirmen gefangen. Diese Kluft zwischen realer und der digitaler Welt erschwert es uns, von der Menge an Informationen und Erkenntnissen zu profitieren, die von Milliarden intelligenter, vernetzter Produkte (SCPs) weltweit produziert werden.

Augmented Reality (AR) hingegen blendet kontext-relevante Informationen direkt in das Blickfeld des Nutzers ein, sobald sie benötigt werden. Das lästige Suchen der richtigen Wartungsanleitung sowie des dazugehörigen technischen Dokuments auf dem Laptop oder, noch schlimmer, im Ordner aus der Arbeitstasche, gehört damit hoffentlich bald der Vergangenheit an.

Fachkräftemangel und Komplexität der Maschinen erfordern innovative Lösungen

Welche Trends erleben wir sonst noch in der Industrie? Sie wird deutlich komplexer: Besonders Maschinen und Fertigungsanlagen, die heutzutage in die ganze Welt geliefert werden, benötigen speziell ausgebildetes Fachpersonal, um sachkundig aufgebaut, bedient oder gewartet zu werden. Das Spezialwissen ist vielerorts nur spärlich oder überhaupt nicht verfügbar. Selbst innerhalb Deutschlands wird der Mangel an fachlich qualifizierten Arbeitskräften mittlerweile von einem Großteil der Industrie als ein Risiko für die deutsche Wirtschaft angesehen. Dazu sinkt, gerade bei der jüngeren Generation, die durchschnittliche Dauer der Betriebszugehörigkeit durch einen zunehmend flexibleren Arbeitsmarkt (wodurch häufig auch das aufgebaute, technische Fachwissen das Unternehmen verlässt).

Dies sind sicherlich nur einige wenige Gründe, weshalb sich ein genauerer Blick auf AR lohnt. Durch das Anzeigen von relevanter Technischer Dokumentation in Verbindung zur dreidimensionalen Umgebung, können die oben genannten Prozesse wie Maschinenbedienung und /-wartung z.B. für den modernen Service-Techniker vereinfacht werden. Hierfür werden beispielsweise virtuell erweiterte Handbücher verwendet, welche die betroffenen Komponenten der Maschine in Echtzeit hervorheben. Somit bleibt der Fokus des Technikers auf der Maschine und er spart sich das Suchen der Anleitung in seinen Unterlagen.

Single-Source-Publishing: AR-Inhalte werden direkt in der Technischen Dokumentation erstellt

Hierbei lohnt es sich besonders auf das bekannte Prinzip aus der Technischen Dokumentation „Single Source Publishing“ zu setzen: AR sollte heutzutage nicht mehr zeitaufwändig in Entwicklungsprojekten entstehen, sondern nahtlos in den Prozess der Erstellung traditioneller Dokumentation eingegliedert werden. Der Autor/Redakteur verwendet weiterhin sein bekanntes Redaktionssystem, z.B. COSIMA von DOCUFY, und hat die Option AR als einen weiteren Publikationskanal zu nutzen. Er braucht keine speziellen Programmierkenntnisse und folgt weiterhin seinem gewohnten Workflow. Weiterhin kann eingestellt werden, welche Komponenten in AR für den Techniker visualisiert werden sollen und welche Information zu welchem Zeitpunkt erscheint. Danach erfolgt die Auslieferung über eine mobile Content-Delivery-Plattform (wie TopicPilot), um die AR-Anleitung auf mobilen Endgeräten (z.B. Smartphone, Tablet, Datenbrille) zur Verfügung zu stellen.

Use-Case 1: Mitarbeiter anlernen

Gemeinsam mit unseren Partnern kothes und DOCUFY haben wir für einen Kunden nach einer Lösung gesucht, neue Mitarbeiter effizient anzulernen. Unsere Idee: Die technischen Inhalte werden direkt auf der Maschine angezeigt, um hierdurch das neue Personal anzulernen und leicht verständlich und fehlerfrei durch diverse Anwendungsschritte zu führen.

© RE’FLEKT

Um das AR-Handbuch zu öffnen, richtet der Mitarbeiter das Tablet auf den Barcode, welcher sich an der Maschine befindet, um diese zu identifizieren. Die zugehörige Dokumentation öffnet sich im Tablet, von dort kann der Mitarbeiter direkt in die AR-Ansicht wechseln. Die Anleitung passt sich der Maschine an und die verschiedenen Komponenten werden farblich voneinander abgegrenzt. Der interaktive Content wird dann auf der jeweiligen Komponente eingeblendet, die gerade ausgewählt wurde.

Wie Augmented Documentation live aussehen kann, zeigen wir hier.

©DOCUFY

Use-Case 2: Mercedes-Benz-Rettungskarten

Die Rescue-Assist-App ist mit mittlerweile über 20.000 Downloads eine der meist heruntergeladenen AR-Apps im App-Store. Sie zeigt sicherheitsrelevante Komponenten (Airbag, Batterie, Tank, etc.) in Echtzeit direkt am Fahrzeug. Somit sind Ersthelfer wie Feuerwehr oder Rettungskräfte in der Lage, die verborgenen Fahrzeugkomponenten durch AR am Fahrzeug zu visualisieren. Die Technik ist bei allen Daimler-Modellen seit 1990 direkt am Unfallort einsetzbar. Die digitalen Rettungskarten helfen so im Ernstfall in Sekundenschnelle zu entscheiden, wo ein Auto aufgeschnitten werden kann und darf.

© Mercedes Benz

Mehr Informationen gibt es hier im Video.

Use-Case 3: AR im technischen Vertrieb

AR eignet sich ebenfalls als Tool für den technischen Vertrieb. Häufig werden die Vorzüge und Besonderheiten komplexer Maschinen und Anlagen nur auf einem Power-Point-Slide oder Papier-Ausdruck präsentiert. Hier lohnt es sich, auf Tablets oder Datenbrillen zurückzugreifen, um die eigene Maschine den Kunden auf innovative, leicht verständliche Weise zu präsentieren.

Die Anwendungsmöglichkeiten von AR sind nicht begrenzt auf einen bestimmten Bereich im Unternehmen – dies ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Unternehmen sollten sich genau überlegen, in welchem Bereich die Technologie Mehrwert bringt. Hierzu sind u.a. Faktoren wie Kostenreduzierung oder Umsatzgenerierung im Service genauestens unter die Lupe zu nehmen. Fragen wie „Wie kann ich die Technik in meine bestehenden Service-Level-Agreements integrieren?“ oder „Welche Kosten kann und möchte ich in Zukunft einsparen?“ müssen vorab beantwortet werden. Danach ergeben sich Einsatzfelder wie z.B. Technical Sales, Maintenance, Training oder Service.

Verbesserte Technik bei Endgeräten und Datenbrillen

Ein weiterer Faktor, der die Bedeutung von AR steigern wird, ist die Leistung der Endgeräte. Smartphones und Tablets werden Jahr für Jahr mit höheren Rechenleistungen ausgestattet und erhalten bessere Kameras. Zudem werden die Datenbrillen deutlich kleiner (und damit angenehmer zu tragen), sowie günstiger. Nicht zu vergessen die Verbesserung der Batterielaufzeit – ein bisher großer Knackpunkt der AR-Technologie.

Auch die Vielfalt der Datenbrillen nimmt zu – mit über 30 verschiedenen, seriösen Alternativen gibt es mittlerweile eine große Auswahl am Markt. Die Entscheidung, welche Brille passt, hängt daher immer auch vom Use-Case ab. Möchte ich 3D-Daten virtuell im Raum platzieren und eine Schritt-für-Schritt Anleitung für den Techniker anzeigen, nutze ich die Hololens. Soll der Techniker im Feld (evtl. mit Sicherheitsbrille und/oder Helm) sein Bild per Remote-Video-Konferenz an einen Kollegen übertragen, welcher ihn über AR-Annotationen anleitet, nutze ich die Vuzix.

AR bringt bereits heute nachweisbare und messbare Mehrwerte in der Industrie. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist, sondern schaffen Sie bereits heute die Strukturen zur Erstellung von Inhalten und Use-Cases bei Ihnen im Unternehmen. Gerne mit uns als Partner an Ihrer Seite 🙂

www.re-flekt.com/de

Quellen:

¹ https://medium.com/super-ventures-blog/ar-and-blockchain-a-match-made-in-the-ar-cloud-7b10c52faddb

² https://hbr.org/2017/11/a-managers-guide-to-augmented-reality

 

 

Jannik Hol ist Projektleiter und Business Development Manager bei der RE’FLEKT GmbH.

Robert Meinert ist Marketing- und Vertriebsmitarbeiter bei der RE`FLEKT GmbH.